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Kapitel
8: Plädoyer für EPSAS
An dieser Stelle folgt eine
persönliche Meinungsäußerung und ein Plädoyer für die EPSAS und ein
standardisiertes, doppisches Rechnungswesen.
Ich kann die Vertreter des Public Sektors in Deutschland verstehen,
die ihre Vorbehalte gegenüber der EPSAS formulieren. Die
„unheimliche Tante EU“ versucht über die EPSAS einen großen Einfluss
auf die Arbeitsweise in Deutschland zu nehmen. Es ist richtig, dass
wir keine neue, teure „EU Bananenkrümmungsverordnung für staatliches
Rechnungswesen“ wollen. Die öffentliche Verwaltung soll das Geld des
Steuerzahlers ins „regieren“ stecken und nicht in eine Reform des
Rechnungswesen. Aber auf der anderen Seite gibt es doch einige
Dinge, die bei mir, wenn es um das Thema öffentliches Rechnungswesen
geht, Kopfschütteln hervorrufen:
Warum erlaubt sich der öffentliche Sektor noch - zumindest in Teilen
- ein unvollständiges Rechnungswesen zu haben. Dass die Kameralistik
(erweitert oder nicht) nur ein unvollständiges Bild der Situation
wieder gibt, ist ja - unter Wissenschaftlern zumindest - unstrittig.
Eine Pensionsverpflichtung in der Zukunft ist heute verursacht und
muss daher auch heute dargestellt werden. Keinem Unternehmen wird es
erlaubt, eine „lockere“, nur zahlungsbezogene Sicht auf die Dinge zu
haben. Bei (mindestens mittelgroßen) Unternehmen wird es als
selbstverständlich gesehen, dass sie in ihrem Rechnungswesen
doppischen Standards folgen. Dies wird u.a. von ihren Geldgebern,
Eigentümern und den Steuerbehörden gefordert. Nicht nur Banken und
Aktionäre, sondern auch die europäischen Steuerzahler sollten daher
das Recht einfordern, dass die Organisationen, die treuhänderisch
ihre Steuergelder verwalten, darüber Rechenschaft ablegen. Und diese
Rechenschaftsberichte sollten selbstverständlich „offiziellen“
einheitlichen Regeln folgen und nicht (etwas polemisch ausgedrückt)
nach irgendwelchen „selbstgemachten“ Landesregeln zusammengestellt
werden. Für den Schutz von Gläubigern und Eigenkapitalgebern gibt es
Rechnungslegungsstandards, an die sich alle halten müssen. Warum
sollte dies für das treuhänderisch verwaltete Geld des Steuerzahlers
undenkbar sein?
Es wird behauptet, es sei zu teuer und unverhältnismäßig, wenn sich
alle 17.500 öffentlichen Einheiten in Deutschland an einen EPSAS
Standard halten müssten. Aber von den ca. 990.000 Mittel- und
Großbetrieben in Deutschland wird es wie selbstverständlich
vorausgesetzt, dass sie sich an die Vorschriften aus dem HGB oder
der IFRS halten (und natürlich auch nach der Abgabenordnung für die
Steuerzahlungen). Selbst von den über 7 Mio. Klein- und
Kleinstbetriebe, bei denen eine einfache Einnahmen-Überschuss
Rechnung ausreicht, verlangt das Finanzamt, dass nicht nur der
Zahlungsstrom z.B. des neugekauften Firmenwagens betrachtet wird,
sondern, dass dafür (abgrenzende) Abschreibungen gebildet werden.
Also das gleiche Finanzamt, dass auf der anderen Seite nicht genau
sagen kann (sofern die Kommune kameral rechnet), welchen Aufwand
ihre Finanzbeamten in diesem Jahr tatsächlich verursacht haben (die
zu den Gehaltskosten zusätzlichen 30-40% an Pensionsaufwand zahlt
halt irgendwann, irgendwer, irgendwie mal…) oder wieviel das
Finanzamt-Gebäude an Wert hat (und jährlich verliert). Dass die
EPSAS nach der Größe der Organisation differenzieren müssen und
Erleichterungen für Kleinsteinheiten bieten müssen ist unbestritten.
Dass aber eine mittelgroße Stadt mit einem Verwaltungshaushalt von
vielleicht 60 Mio. einem einheitlichen Rechnungslegungsstandards
folgen muss und kann, ist keine abwegige Forderung von Brüsseler
Bürokraten.
Es wird teilweise behauptet, dass man staatliche
Vermögensgegenstände nicht bewerten kann. Die einfache Antwort
darauf ist: Doch, man kann! Auch wenn er kein klassisches
Wirtschaftsgut ist oder unverkäuflich ist, oder ein Kunstwerk oder
eine Wasserstraße. Vielleicht muss der Vermögensgegenstand mit dem
Wert 0 angesetzt werden oder es muss von einer Abschreibungsdauer
von 100 Jahren ausgegangen werden; und wahrscheinlich gibt es auch
unterschiedliche Auffassung über die richtige Bewertung. Aber
bewerten kann man das Vermögen. Umso wichtiger ist es, dass es
standardisierte, nachvollziehbare Bewertungsverfahren gibt, um die
jetzige Situation zu vermeiden, wo es schon innerhalb Deutschlands,
je nach Bundesland Bewertungsunterschiede von über 300% gibt.
Unabhängig davon, ob man staatliches Vermögen bewerten kann oder
nicht wird in Frage gestellt, ob es denn überhaupt Sinn macht. Nach
meiner Meinung ist es sehr wohl sinnvoll, dass der Steuerzahler
weiß, wieviel z.B. die Autobahnbrücken in Deutschland wirklich an
Wert haben. Und wieviel Instandhaltung da noch auf uns zu kommen. Es
ist mir letztendlich ziemlich egal, ob das Vermögen
„kontinentaleuropäisch, kaufmännisch- vorsichtig“ bewertet wird oder
eher angloamerikanisch kapitalmarktorientiert. Hauptsache es wird
vollständig und nachvollziehbar ermittelt und bewertet. Ganz schick
wär es, wenn dies halbwegs einheitlich und vergleichbar durchgeführt
würde. Ein Standard auf europäischer Ebene wäre also hervorragend.
Auf jeden Fall besser als die jetzige Situation, wo jeder
„Duodezfürst“ für sein Kurfürstentum eine eigene Haushaltsverordnung
erlässt, wäre das allemal.
Es wird angeführt, dass es unverhältnismäßig teuer sei, seit
Jahrzenten kameral buchende Haushälter auf das doppische Buchen
umzuschulen. Ich glaube aber, dabei werden die Mitarbeiter in der
öffentlichen Verwaltung unterschätzt. Die sind auf jeden Fall in der
Lage, an einen Buchungssatz noch ein zweites Konto hinzuschreiben
(vielleicht entwickelt ja auch die Softwareindustrie etwas so
neulandartiges wie eine Buchungsvorschläge-Vorschlagmaschine, die
Gegenkonten automatisch vorschlagen kann). Der 17 jährige Azubi bei
meinem Steuerberater, hat das doppische buchen auf jeden Fall recht
flott gelernt. Das können die Angestellten in den Kämmereien
allemal.
Es wird beklagt, dass es Einheiten geben wird, die nachdem sie
vielleicht 2010 auf Doppik umgestellt haben 2021 schon wieder auf
EPSAS umstellen müssten. Das Mitleid eines finanzverantwortlichen in
der Wirtschaft wird sich bei diesem Argument in Grenzen halten.
Unternehmen haben in den letzten Jahren von HGB auf US-GAAP und dann
auf IFRS gewechselt. Sie haben die Anforderungen aus SEPA und ELSTER
umgesetzt und sind es gewohnt, dass es von
sozialversicherungstechnischer Seite fast schon monatlich und
teilweise sogar rückwirkend geltende Anforderungen umzusetzen gilt.
Dass eine staatliche Organisation nach einem Jahrzehnt die Bewertung
einzelner Vermögensgegenstände anpassen muss, verursacht daher nur
ein mildes Lächeln.
Zum Abschluss geht daher der Appell an die Vertreter des
öffentlichen Sektors sich konstruktiv an der Diskussion um die EPSAS
zu beteiligen. Einen Standard der alle Anforderungen erfüllt
(schnell entwickelt und umgesetzt, demokratisch abgestimmt, fachlich
fundiert, flexibel, vergleichbar, entsprechend der Tradition in
einem Land, der Wissenschaft gerecht werdend…) wird es nicht geben.
Die EPSAS werden immer einen Kompromiss werden. Aber in der
Wirtschaft hat es ja auch mit einer Kompromisslösung funktioniert.
Und ich kann mir sehr viele Kompromisse vorstellen, die im Ergebnis
zu einer Situation führen, die besser ist als die jetzige.
Ich hoffe also, dass sich viele in die Diskussion einbringen, ohne
sich dabei zu „verbeißen“ und vor allem bei der zukünftigen
Umsetzung der EPSAS gelassen bleiben. Es muss ja nicht - wie so oft
bei europäischen Regeln - Deutschland das Land sein, das den
Schönheitspreis für die 110 prozentige buchstabengetreue Umsetzung
einer Verordnung gewinnt.
Literaturverzeichnis
Das Literaturverzeichnis listet die im Buch zitierten Literaturquelln auf. Soweit möglich wird hier direkt auf die entsprechenden Dokumente verlinkt..
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