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Kapitel 8: Plädoyer für EPSAS

Michael Oettinger BildAn dieser Stelle folgt eine persönliche Meinungsäußerung und ein Plädoyer für die EPSAS und ein standardisiertes, doppisches Rechnungswesen.
Ich kann die Vertreter des Public Sektors in Deutschland verstehen, die ihre Vorbehalte gegenüber der EPSAS formulieren. Die „unheimliche Tante EU“ versucht über die EPSAS einen großen Einfluss auf die Arbeitsweise in Deutschland zu nehmen. Es ist richtig, dass wir keine neue, teure „EU Bananenkrümmungsverordnung für staatliches Rechnungswesen“ wollen. Die öffentliche Verwaltung soll das Geld des Steuerzahlers ins „regieren“ stecken und nicht in eine Reform des Rechnungswesen. Aber auf der anderen Seite gibt es doch einige Dinge, die bei mir, wenn es um das Thema öffentliches Rechnungswesen geht, Kopfschütteln hervorrufen:

Warum erlaubt sich der öffentliche Sektor noch - zumindest in Teilen - ein unvollständiges Rechnungswesen zu haben. Dass die Kameralistik (erweitert oder nicht) nur ein unvollständiges Bild der Situation wieder gibt, ist ja - unter Wissenschaftlern zumindest - unstrittig. Eine Pensionsverpflichtung in der Zukunft ist heute verursacht und muss daher auch heute dargestellt werden. Keinem Unternehmen wird es erlaubt, eine „lockere“, nur zahlungsbezogene Sicht auf die Dinge zu haben. Bei (mindestens mittelgroßen) Unternehmen wird es als selbstverständlich gesehen, dass sie in ihrem Rechnungswesen doppischen Standards folgen. Dies wird u.a. von ihren Geldgebern, Eigentümern und den Steuerbehörden gefordert. Nicht nur Banken und Aktionäre, sondern auch die europäischen Steuerzahler sollten daher das Recht einfordern, dass die Organisationen, die treuhänderisch ihre Steuergelder verwalten, darüber Rechenschaft ablegen. Und diese Rechenschaftsberichte sollten selbstverständlich „offiziellen“ einheitlichen Regeln folgen und nicht (etwas polemisch ausgedrückt) nach irgendwelchen „selbstgemachten“ Landesregeln zusammengestellt werden. Für den Schutz von Gläubigern und Eigenkapitalgebern gibt es Rechnungslegungsstandards, an die sich alle halten müssen. Warum sollte dies für das treuhänderisch verwaltete Geld des Steuerzahlers undenkbar sein?

Es wird behauptet, es sei zu teuer und unverhältnismäßig, wenn sich alle 17.500 öffentlichen Einheiten in Deutschland an einen EPSAS Standard halten müssten. Aber von den ca. 990.000 Mittel- und Großbetrieben in Deutschland wird es wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie sich an die Vorschriften aus dem HGB oder der IFRS halten (und natürlich auch nach der Abgabenordnung für die Steuerzahlungen). Selbst von den über 7 Mio. Klein- und Kleinstbetriebe, bei denen eine einfache Einnahmen-Überschuss Rechnung ausreicht, verlangt das Finanzamt, dass nicht nur der Zahlungsstrom z.B. des neugekauften Firmenwagens betrachtet wird, sondern, dass dafür (abgrenzende) Abschreibungen gebildet werden. Also das gleiche Finanzamt, dass auf der anderen Seite nicht genau sagen kann (sofern die Kommune kameral rechnet), welchen Aufwand ihre Finanzbeamten in diesem Jahr tatsächlich verursacht haben (die zu den Gehaltskosten zusätzlichen 30-40% an Pensionsaufwand zahlt halt irgendwann, irgendwer, irgendwie mal…) oder wieviel das Finanzamt-Gebäude an Wert hat (und jährlich verliert). Dass die EPSAS nach der Größe der Organisation differenzieren müssen und Erleichterungen für Kleinsteinheiten bieten müssen ist unbestritten. Dass aber eine mittelgroße Stadt mit einem Verwaltungshaushalt von vielleicht 60 Mio. einem einheitlichen Rechnungslegungsstandards folgen muss und kann, ist keine abwegige Forderung von Brüsseler Bürokraten.

Es wird teilweise behauptet, dass man staatliche Vermögensgegenstände nicht bewerten kann. Die einfache Antwort darauf ist: Doch, man kann! Auch wenn er kein klassisches Wirtschaftsgut ist oder unverkäuflich ist, oder ein Kunstwerk oder eine Wasserstraße. Vielleicht muss der Vermögensgegenstand mit dem Wert 0 angesetzt werden oder es muss von einer Abschreibungsdauer von 100 Jahren ausgegangen werden; und wahrscheinlich gibt es auch unterschiedliche Auffassung über die richtige Bewertung. Aber bewerten kann man das Vermögen. Umso wichtiger ist es, dass es standardisierte, nachvollziehbare Bewertungsverfahren gibt, um die jetzige Situation zu vermeiden, wo es schon innerhalb Deutschlands, je nach Bundesland Bewertungsunterschiede von über 300% gibt.

Unabhängig davon, ob man staatliches Vermögen bewerten kann oder nicht wird in Frage gestellt, ob es denn überhaupt Sinn macht. Nach meiner Meinung ist es sehr wohl sinnvoll, dass der Steuerzahler weiß, wieviel z.B. die Autobahnbrücken in Deutschland wirklich an Wert haben. Und wieviel Instandhaltung da noch auf uns zu kommen. Es ist mir letztendlich ziemlich egal, ob das Vermögen „kontinentaleuropäisch, kaufmännisch- vorsichtig“ bewertet wird oder eher angloamerikanisch kapitalmarktorientiert. Hauptsache es wird vollständig und nachvollziehbar ermittelt und bewertet. Ganz schick wär es, wenn dies halbwegs einheitlich und vergleichbar durchgeführt würde. Ein Standard auf europäischer Ebene wäre also hervorragend. Auf jeden Fall besser als die jetzige Situation, wo jeder „Duodezfürst“ für sein Kurfürstentum eine eigene Haushaltsverordnung erlässt, wäre das allemal.

Es wird angeführt, dass es unverhältnismäßig teuer sei, seit Jahrzenten kameral buchende Haushälter auf das doppische Buchen umzuschulen. Ich glaube aber, dabei werden die Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung unterschätzt. Die sind auf jeden Fall in der Lage, an einen Buchungssatz noch ein zweites Konto hinzuschreiben (vielleicht entwickelt ja auch die Softwareindustrie etwas so neulandartiges wie eine Buchungsvorschläge-Vorschlagmaschine, die Gegenkonten automatisch vorschlagen kann). Der 17 jährige Azubi bei meinem Steuerberater, hat das doppische buchen auf jeden Fall recht flott gelernt. Das können die Angestellten in den Kämmereien allemal.

Es wird beklagt, dass es Einheiten geben wird, die nachdem sie vielleicht 2010 auf Doppik umgestellt haben 2021 schon wieder auf EPSAS umstellen müssten. Das Mitleid eines finanzverantwortlichen in der Wirtschaft wird sich bei diesem Argument in Grenzen halten. Unternehmen haben in den letzten Jahren von HGB auf US-GAAP und dann auf IFRS gewechselt. Sie haben die Anforderungen aus SEPA und ELSTER umgesetzt und sind es gewohnt, dass es von sozialversicherungstechnischer Seite fast schon monatlich und teilweise sogar rückwirkend geltende Anforderungen umzusetzen gilt. Dass eine staatliche Organisation nach einem Jahrzehnt die Bewertung einzelner Vermögensgegenstände anpassen muss, verursacht daher nur ein mildes Lächeln.

Zum Abschluss geht daher der Appell an die Vertreter des öffentlichen Sektors sich konstruktiv an der Diskussion um die EPSAS zu beteiligen. Einen Standard der alle Anforderungen erfüllt (schnell entwickelt und umgesetzt, demokratisch abgestimmt, fachlich fundiert, flexibel, vergleichbar, entsprechend der Tradition in einem Land, der Wissenschaft gerecht werdend…) wird es nicht geben. Die EPSAS werden immer einen Kompromiss werden. Aber in der Wirtschaft hat es ja auch mit einer Kompromisslösung funktioniert. Und ich kann mir sehr viele Kompromisse vorstellen, die im Ergebnis zu einer Situation führen, die besser ist als die jetzige.

Ich hoffe also, dass sich viele in die Diskussion einbringen, ohne sich dabei zu „verbeißen“ und vor allem bei der zukünftigen Umsetzung der EPSAS gelassen bleiben. Es muss ja nicht - wie so oft bei europäischen Regeln - Deutschland das Land sein, das den Schönheitspreis für die 110 prozentige buchstabengetreue Umsetzung einer Verordnung gewinnt. 

Literaturverzeichnis

Das Literaturverzeichnis listet die im Buch zitierten Literaturquelln auf. Soweit möglich wird hier direkt auf die entsprechenden Dokumente verlinkt.. 

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